Von wegen „keinen Bock mehr“ – Ziegen & Schafe im Naturschutz

Nicht nur ich bin in meinem Praktikum derzeit häufig auf unbekannten Pfaden unterwegs. Auch hier im grenzüberschreitenden Biosphärenreservat werden seit 2017 „Neue Hirtenwege im Pfälzerwald“ entwickelt. Da ich die meiste Zeit des Praktikums in der Geschäftsstelle in Lambrecht verbringe, freue ich mich umso mehr auf die Abwechslung: Einblicke in das innerhalb des bundesweiten Förderprogramms „chance.natur“ umgesetzten Naturschutzgroßprojekt gibt es heute nämlich im Gelände auf einer der Projektflächen.
Abfahrt ist gegen 8:45 Uhr mit der Projektmitarbeiterin Anna-Maria Marstaller, die sich bereits auf dem Hinweg geduldig meinen vielen Fragen stellt. Bei den „Neuen Hirtenwegen im Pfälzerwald“ geht es primär um den Schutz und die Förderung der regionalen Biodiversität. Neben den großflächig zusammenhängenden Waldgebieten prägen auch Streuobstwiesen, Weiden und andere Offenlandbiotope die heutigen Landschaften im Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen. Um diese historisch gewachsene Kulturlandschaft zu erhalten, sollen durch das Projekt traditionelle Beweidungsformen wie die Wanderschäferei wieder neuen Aufschwung erfahren. Insbesondere wandernde Schafherden agieren dabei als lebendige Taxis, denn in ihrer Wolle werden Sporen, Samen und Kleinstlebewesen transportiert und somit der Austausch vieler Tier- und Pflanzenarten angekurbelt – ein wichtiger Effekt in Sachen Biodiversität!
Aber zurück zu einem frischen Morgen im Mai: Bald erreichen wir Leinsweiler - ein charmantes Dorf mit malerischen Fachwerkhäusern, idyllisch gelegen inmitten von Weinbergen und Wald. Unsere Mission: Absprache und Austausch mit dem Biologen Dr. Oliver Röller vom Förderverein Naturschutz und Landwirtschaft e.V.. Er kümmert sich um eine Herde Burenziegen und beweidet mit einem Teil der Tiere eine Projektfläche in der Gemeinde. Dort war der Boden bis vor Kurzem wegen undurchdringlicher Brombeerranken und kleinen Gehölzen kaum noch zu sehen. Schon seit einigen Jahren fand hier keine Beweidung mehr statt, weshalb die Wiese verbuschte. Ziel ist es nun, durch den Eingriff wieder ein wertvolles Offenlandbiotop zu entwickeln und damit einen Mosaikstein in einem eng vernetzten Biotopverbund zu schaffen.
Da Ziegen im Gegensatz zu anderen Weidetieren gerne an stacheligen Hecken, Ästen und Rinden knabbern, eignen sie sich hervorragend für die Entbuschung von Flächen. So entschied man sich dazu, die Fläche mit Hilfe des gesunden Hungers der friedliebenden Bockherde zu öffnen. Nach dieser vorbereitenden „Ersteinrichtungsmaßnahme“ soll die Fläche auch langfristig offengehalten werden – etwa durch eine Folgebeweidung mit Schafen. Und bereits jetzt nach vier Wochen, in denen die Ziegen fleißig ihr Bestes geben, ist die Fläche kaum wieder zu erkennen. Wir nehmen das nun begehbare Gelände als Einladung an, den Ziegen einen Besuch abzustatten.
Auf dem Heimweg erzählt Anna-Maria Marstaller, dass Tage wie diese, an denen erste erfolgreiche Ergebnisse sichtbar werden, sie immer wieder aufs Neue motivieren, weiter zu machen. Der persönliche Kontakt zu den Menschen, die engagiert vor Ort wesentlich für die Umsetzung der Maßnahmen verantwortlich sind, ist zentral. Nur gemeinsam mit vielen Akteursgruppen können mutig Neue Wege im Naturschutz begangen werden. Dazu braucht es – das nehme ich heute mit – viel Geduld, stellenweise eine große Kompromissbereitschaft und eine gute Portion Zuversicht. Für letztere empfehle ich zwischendurch einen Moment lang beim Kraulen der verschmusten Tiere innezuhalten. Danach bin ich mir wieder ein Stück sicherer: Wir schaFen das!
Paulina Mock
Umweltpraktikantin 2025
Ort
Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen