Viehabtrieb in Simmershausen
Kalt und nebelig ist es draußen, als ich mich aus der warmen Decke schäle, Tee koche und mich im Zwiebellook fertig mache. Vorbei an noch verschlafenen Dörfern, grasenden Kühen und sich langsam in Herbstfarben kleidenden Bäumen fahre ich nach Hilders ins Büro. Dort treffe ich Sascha, einen der Ranger, der schon zu einer Führung aufbricht. Und da treffen auch schon Kristine und Elmar ein, mit denen ich heute unterwegs bin.
Punkt halb neun laden wir Material ins Auto und fahren nach Simmershausen, wo wir beim Viehabtrieb den LIFE-Wagen betreuen. Vor Ort überrascht mich die Szenerie: keine matschigen Wiesen, sondern ein gemütliches Straßenfest mit geschmückten Häusern, Ständen und verlockenden Düften von Brot und Dämpfkartoffeln. Wir bauen unseren Wagen auf, stellen Rotmilan und Wildkatze bereit und dekorieren die Tische mit Flyern, Malbüchern und Bestimmungskarten.
Bald kommen die ersten Besucher*innen, anfangs noch vorsichtig, dann in immer dichteren Wellen. Der Rotmilan sorgt sofort für Gesprächsstoff: „Ist der echt? Der bewegt sich doch!“ – ein perfekter Eisbrecher. Gemeinsam bestimmen wir die Art, wandern von Adler, Falken und Bussarde, bis wir beim Rotmilan landen, oder wie manche sagen: bei der „Gabelweihe“. Von vorbeischlendernden Ornithologen erfahre ich, dass die Jungtiere bereits nach Südeuropa gezogen sind. Es macht Freude, mit wildfremden Menschen ins Staunen über diesen „hübschen Kerl“ zu geraten.
Im Wagen selbst sind es die Kinder, die ihre Neugier freien Lauf lassen. „Welches Fell ist weicher – Hauskatze oder Wildkatze?“ fragen wir, und viele rufen überrascht: „Die Wildkatze!“ Kristine erklärt geduldig Unterschiede, Elmar ergänzt spannende Infos zu Naturschutz und Artenvielfalt. Die Erwachsenen lauschen aufmerksam, wenn wir erzählen, dass die Wildkatze in der Rhön noch häufig vorkommt – was längst nicht überall so ist. Dass Straßen und der Verlust von strukturreichen Landschaften vielen Arten zu schaffen machen, wird im Gespräch immer wieder deutlich.
Am Nachmittag mischen wir uns unter die Menge und bestaunen den Umzug: Kühe und Ochsen mit Blumenkränzen, Trachtenträger, ein stolzes Pferd mit Rosen im Haar, eine Blaskapelle und der Kindergarten auf einem Festwagen. „Kühe habe ich keine gesehen, aber einen VW-Bus!“, lacht Elmar, als er zurückkehrt. Ich gönne mir endlich einen Crêpe mit Apfelmus und Zimt – nach stundenlangem Aushalten des Duftes absolut verdient.
Gegen Abend leeren sich die Straßen. Wir packen unsere Flyer zurück in die Boxen, klappen die Türen zu und fahren müde, aber zufrieden nach Hilders. „So viele Kinder waren noch nie da!“, meint Kristine begeistert. Und ich selbst denke: Auch wenn der Sonntag kein freier Tag war, bin ich froh dabei gewesen zu sein. Ein Tag voller Begegnungen, Lachen, Natur und guter Laune, der mir noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Veronika Segerer
Umweltpraktikantin 2025
Ort
Biosphärenreservat Rhön