Am Fuße des Liliensteins

Die Silhouette des Liliensteins über mir wird umarmt vom Nieselregen, als ich früh morgens das Haus verlasse. Ich habe heute nicht in der Praktikums-WG, sondern Oben auf der Sellnitz übernachtet, um ein besonderes Programm vorzubereiten.
Die Sellnitz - eine Wüstung, welche in ein Zentrum der Wildnispädagogik umgewandelt wurde - liegt mitten im Nationalpark und ist Dreh- und Angelpunkt vieler Bildungsprogramme. Heute morgen verstecke ich die Geheimnis-Kisten, welche die vierte Klasse beim Lebensnetz-Programm als eine Art Schnitzeljagd suchen wird. Mit der klobigen Holzkiste auf dem Rücken fühle ich mich jedes mal wie ein Naturforscher auf Expedition vor 200 Jahren.
Nun geht es für mich schnell herab ins Tal zum Elbufer, wo ich meine Freunde Treffe, mit denen ich heute gemeinsam die Führung habe. Ich finde diese Augenblicke immer schön, wenn wir uns vor Ankunft der Klasse immer noch in Ruhe absprechen und vorbereiten. Wir sehen, wie die Klasse auf der anderen Elbseite ankommt und mit der Fähre übersetzt. Mittlerweile kennen wir schon alle Fährleute.
Nach einer herzlichen Begrüßungsrunde geht es hinauf zum Lilienstein. In kleineren Grüppchen erkunden wir den Wald, genießen den Ausblick, sammeln die ersten Blaubeeren. Dieses Programm mag ich besonders gerne, da die Kids die Route eigenständig finden und sich richtig freuen, wenn wir die versteckten Schatzkisten entdecken. Hier lernen sie spielerisch über Themen wie Verwesung, Bodenlebewesen und nachhaltige Forstwirtschaft. Ich liebe es, wenn sich Kinder trotz anfänglicher Distanz auf den Wald und seine Bewohner einlassen. Gerade heute ist während der Lauschrunde eine kleine Spinne auf eines der Kinder gekrabbelt. Ich habe sie auf die Hand genommen und obwohl einige Kinder erstmal echt Angst hatten, wollten sie sie später alle mal in den Händen halten. Und zum Schluss sagte mir ein Kind sogar, dass es seine Furcht vor Spinnen verloren hat.
Der Augenblick, nachdem sich die Klasse verabschiedet und schnatternd im Wald verschwindet, fühlt sich immer besonders still an.
Nach und nach kommen alle anderen aus der Umweltbildung auf der Sellnitz an, denn heute erwartet uns die Gruppeneinteilung für die nächsten Wochen. Es ist immer ganz angenehm, das gesamte Team auf einem Haufen zu sehen und gemeinsam zu beraten, wer welche Führungen übernehmen will.
Nachmittags mache ich noch einen kurzen Abstecher im Büro, danach ist aber auch Schluss. Ich bin ganz schön fertig und ruhe mich heute ein wenig aus, dass ich morgen wieder voller Energie an der Elbfähre sein kann. Ready für eine neue Führung.
Tom Böhme
Umweltpraktikum 2025
Ort
Nationalpark Sächsische Schweiz