Untersuchung der Bedeutung von Wildtierkadavern für ein Ökosystem

Kardaver eines Rehs liegt auf einer Lichtung

Als ich an diesem Morgen aus dem Bett gesprungen bin, wusste ich, dass ein ganz besonderer Tag auf mich wartete. Gemeinsam mit einem Wissenschaftler und einer Bundesfreiwilligen durfte ich bei dem Forschungsprojekt zur Untersuchung von Wildtierkadavern im Wald mithelfen. Der Nationalpark Harz ist einer von 13 deutschen Nationalparken, die sich an diesem Projekt beteiligen.

Federfu hrend geleitet wird das Projekt von der Uni Wu rzburg, die unter dem Arbeitstitel „Belassen von Wildtierkadavern in der Landschaft – Erprobung am Beispiel der Nationalparke“ die Bedeutung von Aas fu r ein Ö kosystem untersuchen. Im Zentrum des Projektes stehen dabei die Fragen: Welche Rolle spielen tote Tiere in einem Ö kosystem? Wer profitiert von ihnen und wie werden sie zersetzt? Welche Auswirkung haben sie auf die biologische Vielfalt und welche natu rlichen Prozesse laufen ab? Dokumentiert werden dabei große Beutegreifer wie Luchs, Wolf und Kolkraben, ebenso wie eine umfangreiche Vielfalt an Pilzen und Insekten. Am Ende des Projektes soll eine Handlungsempfehlung herausgegeben werden, die beschreibt, wie mit toten Wildtieren in Großschutzgebieten umgegangen wird. So viel zu dem Projekt als Ganzes.
Fu r uns konkret bedeutete es, dass wir uns am Montagvormittag mit dem Auto von Wernigerode aus zu dem niedersa chsischen Teil des Nationalparks auf den Weg machten – im Kofferraum verschiedenstes Material und ein tiefgefrorenes, aber langsam auftauendes Reh. Das sollte an unserem ersten Stopp des Tages ausgelegt werden. Von der Hauptstraße sind wir auf einen Forstweg abgebogen. Das Auto wurde geparkt und weiter ging es zu Fuß durch einen Bergfichtenwald und weiter zu einer Bergwiese. Dort, am Rand der Bergwiese haben wir einen geeigneten Ört gefunden, um das Reh abzulegen. Dafu r haben wir drei Holzpfeiler in die Erde getrieben. An einen der Pfeiler wurde das Reh gebunden, damit es von großen Beutegreifern wie dem Luchs nicht verschleppt wird. An den anderen beiden Pfeilern haben wir Wildkameras befestigt. Sie erfassen alle Bewegungen rund um den Kadaver.
An einem zweiten Stopp des Tages habe wir eine Hirschkuh kontrolliert, die wenige Wochen zuvor ausgelegt worden war. Der Verwesungsprozess war hier schon fortgeschritten: Das Fell und die Knochen lagen noch einem Ko rper a hnlich angeordnet auf dem Boden, das Fleisch, die Muskeln und Örgane wiederum waren bereits zersetzt. Der gesamte Kadaver war in einem dunklen Cocktail aus Ko rperflu ssigkeiten getra nkt, auf dem es nur so von Ka fern und Larven wimmelte. Stell dir das Fehler Rauschen alter Fernseher vor – so ungefa hr. Von ihnen wurde jeweils ein Exemplar von unserem Wissenschaftler eingesammelt. Er bestimmt sie anschließend unter einem Mikroskop und nimmt sie in sein Beobachtungsdokument auf.
Der letzte Stopp dieses Tages fu hrte uns zu der Auslage eines Rehs, das bereits Anfang April ausgelegt worden war. Hier hatte ein Luchs vor einiger Zeit ganze Arbeit geleistet, das Reh trotz der Befestigung weggezerrt und in ein Versteck im Unterholz verschleppt. Bei unserer letzten Kontrolle haben wir das Reh in dem dichten Fichtenwald gesucht und zumindest zwei der La ufe, sowie auch ein Stu ck des Ru ckenfells wiedergefunden und an dem urspru nglichen Pfahl erneut befestigt. Bei der heutigen Kontrolle u berpru ften wir die U berreste noch einmal auf neue Insektenarten.
So neigte sich ein ho chst interessanter Arbeitstag dem Ende entgegen und ich war froh, als es zum Abendessen nur Kartoffeln mit Gemu se gegeben hat.

Susann Wilke

Umweltpraktikantin 2024

Ort

Nationalpark Harz