Einigeln im Herbstwald

Foto von einem Plüsch-Igel bedeckt mit Laub

Mein Tag beginnt mit einer kleinen Radtour. Von der Praktikanten-WG in Bad Schandau, über Radwege und schmale Straßen elbabwärts, bis nach Königstein.

Es ist kühl. Seit der Sommer vorbei ist, füllt Nebel morgens das Elbtal und verfliegt in der Herbstsonne nur langsam.

Die Elbe, die Elemente und die Zeit haben diese Landschaft geformt: Die Sächsische Schweiz, in der ich mein Umweltpraktikum verbringe. Ich bin hier mit meinen Kollegen für Bildungsprogramme mit Schulklassen zuständig. Heute zeigen wir einer 2. Klasse, wie sich Tiere auf den Winter vorbereiten.

An der Elbfähre in Königstein treffen wir die Kinder zum ersten Mal. Nach der Begrüßung wandern wir steil bergauf, über viele Treppenstufen aus dem Elbtal hinaus. Als wir am Lilienstein, einem Tafelberg, vorbeigehen, erinnere ich mich an den Sommer.

Noch frisch im Gebiet, hatten wir dort oben die erste weite Aussicht. Dann sind wir eines Abends nochmal aufgestiegen, um den Sonnenuntergang zu sehen. Wir haben zusammengesessen und geredet, bis im Tal die Lichter angingen und über uns die Sterne. 

Zurück in die Gegenwart: Wir erklären den Kindern, welche Regeln im Nationalpark gelten. An der Sellnitz, unserem Bildungszentrum, teilen wir die Kinder in drei Kleingruppen auf, die unterschiedliche Tiere bearbeiten. Ich begleite die Igelgruppe. 

Als erstes spiele ich eine Vorstellungsrunde, die ich von der Einführungswoche im Bayerischen Wald kenne. Jedes Kind soll seinen Namen sagen, ein Tier mit dem gleichen Anfangsbuchstaben nennen und das Tier vormachen. Das erste Kind beginnt: Hallo, ich bin A… und ich bin ein Affe, uga-uga! Neben ihm bricht ein Junge zusammen und kugelt sich vor Lachen am Boden. Als er wieder Luft bekommt, stellt er sich als Elefant vor. So geht es weiter. Auch der Plüschigel, den ich als Erzähler dabeihabe, bekommt von den Kindern einen Namen: Igor.

Dann beginnt das Programm im Wald. Die Kinder schlüpfen in die Rolle nachtaktiver Igel und sollen sich blind zurechtfinden. Mit verbundenen Augen werden sie von einem Partner zu einem Baum geführt, den sie gründlich betasten und später wiedererkennen sollen. Diese „Baumbegegnung“ ist zugleich eine Wahrnehmungs- und Vertrauensübung, die bei jeder Altersgruppe gut ankommt.

Wir lernen auch, wie sich Igel bei Gefahr verhalten. Wenn ich „Gefahr!“ rufe, hocken wir uns schnell auf den Boden und rollen uns ein, als hätten wir Stacheln auf dem Rücken. Wenn die Gefahr vorbei ist, ziehen wir weiter. Meist besteht die „Gefahr“ aus belustigten Wanderern. Natürlich erzähle ich auch von den Gefahren, gegen die das Einrollen nicht hilft, und wie wir echte Igel schützen können.

Dann suchen wir Nahrung, damit Igor sich einen Winterspeck anfressen kann. Mit Lupen stöbern die Kinder im Unterholz. Sie finden Nacktschnecken, Asseln, Spinnen, Hundertfüßer, Bucheckern und – Pilze! Es sind Buchen-Schleimrüblinge und ein Birkenporling. Die einen sind schleimig, aber essbar. Der andere ist ein Heilpilz. Ich kann nicht anders, als in jedes Programm ein paar Pilze und meine Begeisterung dafür einfließen zu lassen. Alles wird genau betrachtet und besprochen. Igor wird satt.

Schließlich bauen wir einen Laubhaufen als Winterunterkunft. Dabei gebe ich nicht viel vor – die Kinder können sich mit Laub und anderem Material, das am Boden liegt, austoben. Schnell bilden sich kleine Teams, die um die Wette bauen. Igor darf probeliegen. Nach einigem Um- und Ausbau ist er zufrieden.

Zuletzt üben wir ein kleines Theaterstück ein. Die Kinder spielen Bäume, Laubhaufen, Igel und das Wetter. Sie stellen dar, was sie gelernt haben. Zuerst in unserer Kleingruppe, dann mit den Eichhörnchen und Hasen zusammen. Ein großes Gewusel. Alles an diesem Programm ist ein bisschen niedlich. Und heute hat alles geklappt: Die Tiere sind bereit für den Winter.

Robert Hofmann

Umweltpraktikant 2024

Ort

Nationalpark Sächsiche Schweiz