Mit Kescher und Pinzette – Kleine Tiere im Gebirgsbach

Der Dienst im Nationalparkhaus Sankt Andreasberg beginnt normalerweise gemütlich gegen 8.45 Uhr. Doch heute geht es schon etwas früher los, denn die FÖJler aus dem Haus und ich sind mit dem Hydrobiologen Fabian Schwarz verabredet. Er will im Rahmen des Gewässermonitorings des Nationalparks mit uns eine Beprobung des Makrozoobenthos durchführen.
So werden wirbellose Tiere in Gewässern bezeichnet, die mit bloßem Auge gerade noch erkennbar sind. Ihre Vielfalt und Bestandszahl gibt Aufschluss über die Wasserqualität. Der Ort, an dem wir uns treffen, liegt am Rande des Nationalparks an der Warmen Bode, einem Quellbach des später Bode genannten Flusses, nahe der Stadt Braunlage. In diesem Bereich leistet der Borkenkäfer gerade ganze Arbeit.
Aus dem Auto ausgestiegen heißt es nun Gummistiefel anziehen, Eimer, Kescher und Klemmbrett mitnehmen und rein in den Bach. Als erstes bestimmen wir mit einem mobilen Messgerät die Temperatur, den pH-Wert und die Leitfähigkeit des Wassers. Das Wasser hat heute 9,4°C, ist annähernd neutral und hat nur eine geringe Leitfähigkeit ist. Das ist gut, denn außer in Gebieten mit kalkreichen Gesteinen ist eine hohe Leitfähigkeit ein Hinweis auf viele gelöste Ionen, meist Salze wie Nitrate oder Sulfate.
Danach schätzen wir, wie hoch der Anteil verschiedener Gesteinsgrößen oder auch Totholz am Bedeckungsgrad der Wasseroberfläche ist. Je 5% Bedeckungsgrad muss eine Probe entnommen werden, sodass wir am Ende auf 20 Proben kommen. Diese Methode bezeichnet man auch als Multi-Habitat-Sampling und soll gewährleisten, dass unsere Proben für diesen etwa 50 m langen Gewässerabschnitt repräsentativ sind.
Fabian watet mit uns durch den Bach, wringt Moose auf Steinen im Wasser aus und wühlt Steine auf, damit auch möglichst alle Arten erfasst werden. Was im Kescher hängen bleibt, landet in den Eimern, die sich rasch füllen. Nach einer guten Stunde bringen wir die vollen Eimer zu einem kleinen Rastplatz am Bach. Dann wird der Inhalt in weiße Wannen gefüllt. Sobald das Wasser still wird, sehen wir wie sich unzählige kleine Tiere darin tummeln. Mit Pinzetten sammeln wir sie heraus: Eintagsfliegenlarven, Steinfliegenlarven, Kriebelmückenlarven, Käfer und Käferlarven. Besonders interessant sind jedoch die Larven der Köcherfliege. Diese bauen sich eine Art Wohnröhre aus Moosblättchen, Pflanzenresten oder winzigen Steinchen und tragen sie wie ein Einsiedlerkrebs mit sich. Dadurch sind sie immer gut geschützt.
Nach der Entnahme werden die Tiere in Probenröhrchen mit Alkohol konserviert, damit sie anschließend genau nach Gattung und Art im Labor bestimmt werden können. Doch auch hier im Feld ist der Lerneffekt sehr groß. Erst recht, wenn man in Zukunft den Vergleich zu Gewässern zieht, die stark landwirtschaftlich beeinflusst sind, wird auffallen, dass die Vielfalt an Makrozoobenthos deutlich geringer ist.
Dieser Tag gab auf jeden Fall einen schönen Einblick in das biologische Monitoring des Nationalparks – eine sehr wichtige Aufgabe in einem Großschutzgebiet von solcher Einzigartigkeit.
Oliver Kox
Umweltpraktikant 2022
Ort
Nationalpark Harz