Geschichtliche Begegnungen im Nationalpark

Erste Ferienwoche in Thüringen. Anstatt mit Schulklassen im Wald unterwegs zu sein, saß ich nun mitten im Nationalpark und wartete darauf, dass Besuchende vorbeikommen. Meine Aufgabe war es eine Umfrage zur Nutzung von Outdoor-Apps durchzuführen. Nach den vielen Umweltbildungsprogrammen vor den Sommerferien eine willkommene Ruhepause. Mit Blick auf die Betteleiche, umgeben von Fliegen, Bremsen und Schmetterlingen.
Da es um die 32 Grad waren, kamen nur wenige Besuchende vorbei. Dafür durfte ich Kleiber bei ihrer Nahrungssuche im Baum beobachten. Unverkennbar schön, mit seinem schwarzen Lidstrich, der blaugrauen Oberseite und ockergelben Unterseite. Flink lief er kopfüber den imposanten Stamm entlang und pickt nach Insekten. Auch Bachstelzen, Bunt- und Grünspecht beäugten mich verwundert.
Die Betteleiche wird auf 1000 Jahre geschätzt. Sie trägt ihren Namen nach den Bettelmönchen, die einst in der Nähe dieser Stelle lebten. Die Mönche umsorgten passierende Menschen auf ihrem Handels- und Wanderweg. Da sie sich nur von geschenkten Gütern ernähren durften, schlugen sie ein Loch in die Eiche am Wegesrand. Dort waren die Gaben und Fürbitten geschützt vor dem Regen. Der Baum wuchs immer weiter und teilte sich irgendwann, so entstand die eindrückliche Wuchsform.
Es war spannend zu erleben, wer nun Jahrhunderte später diesen Ort aufsuchte. Ich befragte eine Familie auf Radtour, welche sich weit verfahren hatte. Mit einer Journalistin saß ich eine Stunde im Gras, über die aktuelle politische Lage diskutierend. In den Zwischenzeiten zeichnete ich die Eiche und weitere Pflanzen, die mich umgaben. Zudem aß ich mit einem frisch verliebten Paar zu Mittag, bis zwei Menschen aus den Niederlanden vorbeikamen. Diese beeindruckten mich mit ihren über 80 Jahren sehr! Genauso, wie eine junge Person, auf dem Heimweg, die seit einem Monat nur mit dem Fahrrad unterwegs gewesen war.
Es war eine schöne Erfahrung zu erleben, dass nicht nur Gebäude und Museen einem die Geschichte veranschaulichen können, sondern sie auch in der Natur verwurzelt ist.
Selma
Umweltpraktikantin 2022
Ort
Nationalpark Hainich