Spannungsfeld Naturschutz und Nutzung

Eine Schafherde grast unter einem Baum

Der Sternberg erhebt sich als breite Kuppel über der Gemeinde Gomadingen auf der Schwäbischen Alb. Auffällig sind die ausgedehnten Wacholderheiden, die sich über weite Teile erstrecken. Zum höher gelegenen Teil mischen sich immer mehr Laubmisch- und Nadelwaldbestände mit ein. Die natürliche Vegetation wäre hier eigentlich überall Wald.

Die Wacholderheiden entstanden aus der Nutzung der Flächen durch Schäfer und können nur durch die kontinuierliche Pflege durch Schafe weiter in der Form erhalten werden. Das ist auch wichtig, denn die Flächen sind ökologisch sehr wertvoll und ein bedeutender Bestandteil des Heimatstolzes der Schwaben. Quer durch diese Landschaft verläuft einer der 21 ausgewiesenen Premiumwanderwege der Schwäbischen Alb, die von der Geschäftsstelle „Hochgehberge“ organisiert und beworben werden. Entsprechend viele Wanderfreunde treffen hier meistens ein. Ein gutes Stück hinter dem Wanderparkplatz gabelt sich der Weg. Zur Seite von der Heide weg führt einen die Ausschilderung über eine Schlaufe, die in Sichtweite endet. Geradeaus hingegen verläuft ein breit ausgetretener Pfad quer über die Heide als Abkürzung des ausgeschilderten Weges.

Diesen frühen Vormittag ist es allerdings ruhig, denn es ist in der Woche und es regnet leicht. Verschiedene Parteien haben sich an der genannten Gabelung getroffen, da es hier zu einem Problem kommt, das die ansässige Schäferin schildert: Die Schlaufe führt Wanderer quer durch die Flächen, auf denen sie ca. drei Mal im Jahr die Schafe hütet. Hunde und unachtsame Wanderer stören die Schafe und die Hütearbeit der Schäferin. Insbesondere in späteren Phasen der Beweidung, wenn die leckersten Kräuter abgefressen sind und vermehrt Schafdung herumliegt, gehen die Schafe nur noch sehr ungern auf die Fläche zurück, nachdem sie durch Störungen zusammengetrieben wurden. Dann muss die Schäferin die entsprechende teils ungenutzt und naturschutzfachlich nicht fertig gepflegte Fläche verlassen und die Schafe auf ein neues Heidestück ziehen lassen.

Sie wünscht sich eine komplette Streichung der Schlaufe als ausgeschriebenen Wanderweg, die Abkürzung über das eine Heidestück, das ohnehin bereits viele Wanderer nutzen, sei genug. Da das aber aufgrund der dann notwendigen Überarbeitung bestehender Infomaterialien sowie der Neuzertifizierung als Premiumwanderweg einen enormen Aufwand darstellen würde und man von Seiten der Gemeinde Gomadingen den Wanderern die Schlaufe nicht grundsätzlich vorenthalten möchte, einigt man sich auf einen Kompromiss: Es sollen Hinweisschilder erstellt werden, mit denen die Schlaufe temporär für die Beweidung gesperrt wird. Darüber sind die Schäferin und die Untere Naturschutzbehörde nicht ganz glücklich, können sich aber damit abfinden, das auszuprobieren.

Ich gehe zurück Münsingen in die Geschäftsstelle in mein Büro, in dem ich die meiste Zeit des Praktikums verbringe. Später erfahre ich von meinem Praktikumsbetreuer, dass am Sternberg vor einigen Jahren über 60 große Einzelbäume im Rahmen einer Pflegeaktion entnommen wurden. Damals gab es wohl großes Unverständnis seitens der Bevölkerung, wie dieser massive Eingriff dem Naturschutz dienen könne, allerdings waren die meisten mit dem neuen Landschaftsbild glücklich und es siedelten sich wieder Bodenbrüter des Offenlandes an.

Für mich ist dieser Berg im Laufe des Praktikums zu einem Sinnbild dafür geworden, in welchem Gefüge und Spannungsfeld verschiedene Nutzungsformen und Ansprüche an die Landschaft zueinanderstehen können.

Felix Muuß

Umweltpraktikant 2021

Ort

Biosphärengebiet Schwäbische Alb