Interview im Kreidebruch

Eine junge Frau wird von einem Mann in einem Kreidebruch interviewt und hält eine Mappe

Es ist der 03.11.2022, der Wecker klingelt um 6:40 Uhr. Während des Frühstücks genießen mein Sohn (5 Jahre) und ich, wie so oft in dieser bunten Herbstzeit, einen sagenhaften Sonnenaufgang am Meereshorizont. Er erleuchtet über das große Ostblick-Fenster die gesamte Wohnung. Das ist nur einer von vielen Vorteilen der sogenannten „Praktikanten-Wohnung“ in der vierten Etage.

Gegen 8 Uhr bringe ich meinen Kleinen in die Kita, die direkt nebenan liegt. Ein weiterer unschlagbarer Vorteil. Noch schnell ein „Glückskuss“ und dann sause ich mit einem Fahrrad, das mir vom Nationalparkamt Jasmund zur Verfügung gestellt wurde, los.

Die Fahrt dauert nur ca. 10 Minuten, die Nationalpark-Verwaltung liegt am anderen Ende von Sassnitz, nur ca. 2 km entfernt. Hier erwartet mich mein Arbeitsplatz, ein Büro ausgestattet mit Schreibtisch und PC. Heute steht aber das Commerzbankinterview mit Herrn Harnisch an und ich kann es kaum erwarten stolz meine Praktikumsprojekte zu präsentieren.

Herr Dr. Stodian, Dezernatsleiter der Gebietsbetreuung des Nationalparks Jasmund, Frau C. Loll aus der Umweltbildung und ich bereiten den Konferenzraum, inklusive Frühstück, vor. Bei dieser Atmosphäre kommen wir mit Herr Harnisch gut ins Gespräch. Mein internationaler Studiengang der angewandten Freizeitwissenschaft B.A. lässt erstmal mal Fragen aufkommen. Dass Freizeit nicht nur mit „Vergnügen“ gleichgesetzt werden sollte, sich dahinter interdisziplinäres Wissen und Fertigkeiten aus verschiedenen Disziplinen verbergen und zukünftig ein diverses Einsatzgebiet ermöglicht, muss erklärt werden. So auch der Zusammenhang einer Sozialwissenschaft mit einem Nationalpark. Mich qualifizieren insbesondere die pädagogischen, touristischen und ökologischen Module der Hochschule Bremen für einen Einsatz in der Umweltbildung oder auch in tourismusbezogenen Bereichen. Da mein obligatorisches Praktikum mind. 18 Wochen voraussetzt, somit über die Zeitspanne des Umweltpraktikums der Commerzbank hinausgeht, habe ich Gelegenheit mich neben der vorgegebenen Umweltbildung auch in der Besucherlenkung zu erproben.

Herr. Dr. Stodian greift den Gedanken gleich auf und lenkt das Gespräch geschickt zur der von ihm initiierten Studie „Beschilderung als Besucherlenkungsmaßnahme im Nationalpark Jasmund“. Es ist mein erstes echtes Forschungsprojekt, das ich von Anfang bis Ende durchführen darf. Der Wechsel aus Arbeiten im Freien und am Schreibtisch bietet ein abwechslungsreiches Programm. Der hohe Anspruch eine valide Studie zu generieren, kombiniert mit der kompetenten Führung von Dr. Stodian, ist für mich eine willkommene Gelegenheit, das zuvor erlernte theoretische Wissen tatsächlich praktisch anzuwenden. Zugleich ist dieses Feldexperiment eine sinnvolle Vorbereitung auf meine noch bevorstehende Bachelorarbeit. Für die Nationalparkverwaltung, bspw. für interne Entscheidungszwecke, stellt sie ein elementares Schlüsselelement dar. Es ist mir eine Ehre hier mitwirken zu können.

Um mein zweites Praktikumsprojekt authentisch vorzustellen, wandern wir von der Mittagssonne begleitet in den naheliegenden Kreidebruch. Er liegt oberhalb von Sassnitz und bietet eine freie Sicht auf die Stadt und die Ostsee. Im Rahmen der Junior-Ranger-Führungen der Umweltbindung suchte ich diesen persönlichen Lieblingsort häufig auf. Er ist mit Wald, Teich und Wiese ein vorteilhaftes Areal, um mit den 8-10-jährigen Kindern der Ostseeblickgrundschule interaktive Programme durchzuführen. Nicht nur Wissenswertes über die Welt der Lebewesen wurde hier über interaktive Übungen vermittelt, sondern jedes Kind erarbeitete sich teils eigenständig, teils gemeinschaftlich, sein individuelles „Wissensbuch“. Das Ziel ist es, die Kinder nachhaltig für Erkennungsmerkmale von Pflanzen und Tieren zu sensibilisieren und sie zur Erstellung von Steckbriefen zu befähigen. Mittels dieses von mir entworfene Pflanzen- und Tierbestimmungskonzeptes hatte ich mehrmals die zweieinhalbstündigen Junior-Ranger-Touren geplant und auch durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass besondere Merkmale zu erkennen und anschließend zeichnerisch, schriftlich und fotographisch festzuhalten ein Prozess ist, der schrittweise durchgeführt werden muss. Einzelne Themenelemente können gut aus dem „Wissensbuch“ herausgepickt werden. Das Konzept scheint
damit erprobt und zukunftsfähig zu sein.

Nachdem ich meine Umsetzung und Absichten des „Wissensbuches“ allen Beteiligten anschaulich
dargestellt hatte, erfolgt noch die legendäre Rucksackübergabe der Commerzbank. Mit der
umfassenden Schilderung meiner Praktikumstätigkeiten und ihren Ergebnissen war das heutige Ziel
erfolgreich erreicht. So wandern wir heiter zur Parkverwaltung zurück und verabschieden uns. Der
„Glückskuss“ meines Sohnes hat eindeutig gewirkt. Davon muss ich ihm gleich mal berichten.
Geschwind radele ich zur Kita zurück.

Jana Jamrath

Umweltpraktikantin 2022

Ort

Nationalpark Jasmund