Das tapfere Schneiderlein

Menschen beim Elektrofischen im Fluss

Was die meisten nur überspitzt aus Filmen kennen, durfte ich heute live erleben. Die Rede ist vom Elektrobefischen. Um halb 9 am Treffpunkt ging’s los, zusammen mit dem zuständigen Ranger, einem Biologen, den Gewässerpächtern und zahlreichen neugierigen Freiwilligen. Es war einer der vielen abwechslungsreichen Tage in meinem bisherigen Umweltpraktikum beim Verein Natur- und Lebensraum Rhön.

An diesem Dienstag sollte in Rothemann und Kerzell bei Fulda im Döllbach ein selten gewordener Fisch nachgewiesen werden, der Schneider. Zusammen mit Joachim Walter, einem der sieben Ranger in der hessischen Verwaltungsstelle des Biosphärenreservats Rhön, hab‘ ich mich morgens auf den Weg nach Rothemann gemacht. Dort angekommen wartete bereits Biologe und Fischereiexperte Christoph Dümpelmann auf uns und brachte mir nahe, was das Ziel für den heutigen Tag sei. So haben die beiden Initiatoren gemeinsam mit einigen Helfern in den letzten Jahren zahlreiche Schneider unter anderem in der Ulster, Haune, Nüst und im Döllbach ausgesetzt. Nun galt es nachzuweisen, ob sich der Weißfisch in den heimischen Gewässern etabliert hat und im besten Fall Nachwuchs bildet.

Der Grund für die Wiederansiedlung liegt in der Vergangenheit der Rhön, wo der Schneider mitunter eine der häufigsten Fischarten war. Durch Gewässerverschmutzungen und Flussbegradigung wurde er nach und nach aus seinen natürlichen Habitaten vertrieben und konnte vor wenigen Jahren in Hessen kaum noch nachgewiesen werden. Eines der letzten Vorkommen war beispielsweise in der oberen Eder in Nordhessen vorzufinden. Dort wurden auch diejenigen Exemplare entnommen, welche zur Aufzucht der neuen Rhöner Generation Schneider dienten.

Allen voran watete Biologe Christoph Dümpelmann samt Schutzausrüstung und Anodenstab durch das Wasser, hinter ihm kamen zwei weitere Helfer und sammelten die Fische mit Keschern ein. Ich durfte diesen Job ebenfalls erledigen. Durch einen kurzen gezielten Stromschlag wurde ein Bruchteil der Fische nahe des Metallstabs betäubt und schwamm uns ohne viel Mühe ins Netz. Sofort gaben wir diese in einen Wassereimer und überführten sie nach ausreichendem Füllstand in eine große Wanne. War auch jene Wanne nahezu voll ging es ans Zählen, Messen und Bestimmen. So konnten Bachschmerlen, Gründlinge, Koppen, Bachneunaugen, Stichlinge, Forellen sowie hunderte von Elritzen gefunden werden. UND, Gott sei Dank, auch der gewünschte Zielfisch – der Schneider!

Nach dem erfolgreichen Zählen und Vermessen wurden dann fast alle Fische wieder ihrem natürlichen Lebensraum überlassen. Ausnahmen bildeten nur nicht-einheimische Arten wie Regenbogenforellen, Blaubandbärblinge sowie amerikanische Signalkrebse, welche entweder abends auf dem Teller oder in den Aquarien einiger Helfer landeten.

Gegen 17 Uhr war dann auch schon alles vorbei. Der so ersehnte Schneider wurde mehrfach gefunden und alle waren glücklich. Nach ein paar abschließenden Worten lud mich mein zuständiger Ranger zuhause ab, denn am nächsten Tag wartete schon die nächste spannende Erfahrung.

 

Tobias Möller

Umweltpraktikant 2021

Ort

Biosphärenreservat Rhön-Hessen