Auf ins Moor!

Ein Bagger im Wald

Ich muss an meinen ersten Tag denken: Es ging stürmisch los. Nach einem kurzen Zwischenstopp im Büro fand ich mich in der Bauernhaide, einem der Moore des Naturparks wieder. Unser Weg führte uns unter Fichten und zwischen kniehohen Heidelbeersträuchern hindurch. Man könnte im ersten Moment meinen, es sei ein ganz normaler Wald, aber der Weg, den wir uns bahnten, wurde immer moosiger und es gab immer mehr Nassstellen, die vermuten ließen, dass noch viel Wasser im Boden ist.

Schon von weitem hörte ich etwas die Stille des Moores durchbrechen: Dort stand ein Bagger mitten im Wald. Seltsamer Anblick, so eine große Maschine in einem so vulnerablen Ökosystem zu sehen, und das in einem Naturschutzgebiet. Ich wurde ein bisschen stutzig, versuchte es mir aber nicht anmerken zu lassen. Muss ja irgendwie gut sein, wenn die das hier so machen. Anke drehte sich zu mir um, mein Stutzen war ihr wohl doch aufgefallen. „Das sieht vielleicht komisch aus, ist aber notwendig“, sagte sie. Ich rief mir in Erinnerung, was ich auf der Website des Naturparks gelesen hatte: Die Moore im Erzgebirge wurden seit dem 19. Jh. entwässert und so für Forstwirtschaft und Torfabbau nutzbar gemacht. Dazu wurden systematisch Gräben ausgehoben, die das Wasser aus dem Moor heraus leiteten. Diese Gräben funktionieren immer noch prächtig und so wird das Moor immer weiter zerstört.

Und da sind wir wieder bei den Baggern: Um die Entwässerung zu stoppen, muss das Wasser irgendwie vom Fließen abgehalten werden. Dazu werden meist Dämme gebaut, bis 2010 noch ohne Bagger, „aber wenn hier zehn Mann immer wieder hin und her spazieren, ist das auch nicht gut für die Vegetation und den Boden“, meinte Anke. Die Bagger schaufelten Löcher in den Boden. Wenn sie eine große Ladung Torf von einer an die andere Stelle befördern, geht ein Ruck durch den Boden. „Spürst du das?“ fragte Anke und lächelte. „Da merkst du, es ist nur die oberste Schicht ausgetrocknet. Unter uns ist noch Moor.“

An einer anderen Stelle baggerte der Bagger die obere Schicht. Sie ist schwarz, darunter wurde der Boden heller. Anke forderte den Baggerfahrer auf, kurz zu stoppen. Sie sprang kurzerhand in das Loch und nahm eine Handvoll Torf. „Schau mal, die Pflanzen hier sind noch weniger zersetzt, siehst du, wie faserig der Torf ist? Da siehst du Torfmoos, und siehst du die Blätter? Das könnte Blasenbinse sein, die wächst nur in intakten Mooren.“

Intakt ist dieses Moor leider nicht mehr. Das kann man schon an den Heidelbeeren sehen, die ein Anzeichen für aus dem Gleichgewicht geratene Moore sind. Kaum zu glauben, dass in diesem Moor etwa einen, vielleicht 1,5 Meter unter der Erde alles noch so ist, wie es sein sollte. Aber Moment – Moor nimmt normalerweise um einen Millimeter im Jahr zu. Das bedeutet, das bisschen Dreck, das Anke da in der Hand hält, über 1000 Jahre alt ist. Jetzt überkommt mich eher die Ehrfurcht. Habe ich das gerade Dreck genannt? Der ist wohl älter als der gesamte Bergbau des Erzgebirges. Und genau deshalb entstehen hier die Dämme, damit in 1.000 Jahren das Torfmoos von heute immer noch unzersetzt einen Meter unter der Erde schlummern kann und so auch das CO2, dass es heute gebunden hat.

Nach so viel lehrreicher Moorerfahrung und einem langen Tag an der frischen Luft kehrte ich müde und ein bisschen nachdenklich in mein Quartier zurück. Die Moore sind ein faszinierender Ort und es ist wichtig, dass sie sich wieder erholen können. Ich freute mich, hierbei die nächsten drei Monate mithelfen zu dürfen.

 

Milena Strenge

Umweltpraktikantin 2021

Ort

Naturpark Erzgebirge-Vogtland