Auf der Spur der Bekassine

Die Rhön kurz nach Sonnenaufgang (Foto Rosina Weber)

3:45 Uhr - Noch halb im Koma quäle ich mich aus dem Bett und schleppe mich in die Küche. Wir zählen heute Brutvögel in der hessischen Rhön. Weil ich schon Erfahrung in der Vogelbestimmung habe, darf ich trotz Corona mitkommen und sitze an meinem eigenen Zählpunkt. Ich freue mich auf den Sonnenaufgang über der einsamen Wiese, auf die Vögel und darüber, dass ich als Praktikantin des UNESCO-Biosphärenreservats Rhön sinnvoll mitarbeiten kann.

 

Wir suchen die Bekassine, eine seltene Vogelart, die noch hier und da in den Wiesen der Rhön brütet und im Zuge des LIFE-Projekts „Rhöner Bergwiesen“ gezählt und gefördert werden soll. Außerdem halten wir Ausschau nach den noch selteneren Birkhühnern. Nur dank großer Anstrengungen gibt es überhaupt noch Vertreter dieser Art in der Rhön, doch die meisten halten sich im Naturschutzgebiet Lange Rhön in Bayern auf. In Hessen hat vermutlich seit vielen Jahren kein Birkhuhn mehr gebrütet. Doch an meinem Zählpunkt wurde kürzlich eines vermutet. Ob es wirklich da ist?

5:00 Uhr - Ich habe es mir in meiner Jagdkanzel gemütlich gemacht. Es ist knackig kalt, aber ich bin vorbereitet: Kleidung in mehreren Schichten, eine Fleecedecke und – mein Geheimtipp – eine Wärmflasche. Um mich herum ertönt das Konzert der ersten Vögel: Rotkehlchen, Amsel und Feldlerche erkenne ich am Gesang. Sie legen sich mächtig ins Zeug, obwohl es noch fast völlig dunkel ist und ich habe schon Sorge, dass sie die Bekassine übertönen. Da dringt ein dumpfes Geräusch an mein Ohr „wuuwuuwuuwuu“. Juhu, eine Bekassine! Damit ist die erste Art, nach der ich Ausschau halten soll, entdeckt.

6:37 Uhr - Mittlerweile ist es schon ziemlich hell. Irgendwann landet am äußersten linken Rand meines Blickfelds ein großer Vogel auf einer Fichtenspitze. Bestimmt nur eine Taube. Doch ich schaue durchs Fernglas und staune. Der kräftige braune Vogel mit dem kleinen Kopf und dem eckigen Schwanz öffnet den Schnabel und lässt ein leises Glucksen hören. Da sitzt ein weibliches Birkhuhn!

6:52 Uhr - Eine Viertelstunde lang sitzt meine Besucherin auf ihrer Fichte. Ich habe die Zeit genutzt eine aufgeregte SMS zu tippen und ein wackeliges Beweisfoto mit dem Handy zu schießen, aber die meiste Zeit habe ich sie einfach nur angestarrt. Schließlich fliegt sie davon und verschwindet zwischen den Birken. Ich habe eins von maximal einer kleinen Handvoll Birkhühner auf der hessischen Seite gefunden!

8:00 Uhr - Abschlusstreffen mit viel Abstand auf dem Parkplatz. Wir tauschen uns über unsere Beobachtungen aus. Leider haben wir zusammen nur einige wenige Bekassinen gefunden. Das Team des LIFE-Projekts diskutiert angeregt, welche Maßnahmen als nächstes anstehen, um die Lebensräume der Wiesenbrüter zu verbessern. Ich bin gespannt, wie viele davon ich in meinem Praktikum noch mitkriegen werde.

Rosina Weber

Umweltpraktikantin 2021

Ort

Biosphärenreservat Rhön-Hessen