Ein Tag im Homeoffice

Schwarzspecht im Nationalpark Hainich (Foto Thomas Stephan)

Die dritte Welle der Coronapandemie in Deutschland ist auf ihrem Höhepunkt und ich sitze morgens mit Tee vor meinem Laptop zu Hause an meinem Schreibtisch und bin einfach froh, dass ich nicht in der Intensivmedizin arbeite. Todo für heute: 5 Vogelsteckbriefe anlegen, für die Präparate des neuen Urwaldmobils vom Nationalpark Hainich – Handreichungen für das Umweltbildungspersonal.

 

Zu ergründen sind Lebensweise, Verbreitung, Nahrung und Fressfeinde sowie Aussehen von Waldkauz, Grünspecht, Eichelhäher, Kleiber und Buchfink.

Beim Waldkauz, dem “lautlosen Jäger der Nacht”, wälze ich mich von einem Buch zum nächsten und nehme jedes Detail mit, was sich finden lässt. Hängen bleibt die vierte Wendezehe – die kann der Vogel nach vorne und hinten drehen, sehr praktisch. Beim Grauspecht ist es dann schon passiert… ich drifte ab.

Es gibt gar nicht nur 9 Spechtarten, sondern 11! Schon mal was vom Atlasgrünspecht oder Blutspecht gehört? Ich nicht, und Dreizehenspecht und Weißrückenspecht sind mir auch nicht sehr geläufig. Der Kosmos-Vogelführer verschluckt mich zwischen Seite 242 und 246 – drei Seiten Schrift, drei Seiten Zeichnungen. Erstmal einen groben Überblick verschaffen. Verwechslung ginge zwischen Grau-, Grün- und Atlasgrünspecht, letztere leben aber in relativ unterschiedlichen Gebieten. Wendehals, Dreizehenspecht und Schwarzspecht stehen optisch irgendwie für sich. Und zwischen Bunt-, Blut, Mittel-, Klein- und Weißrückenspecht zu unterscheiden ist echt eine Aufgabe. Auf den ersten Blick ist erstmal alles weiß-schwarz mit rot am Kopf und meistens auch am Bürtzel – aber auch noch in Abhängigkeit zum Geschlecht. Ich blättere immer wieder vor und zurück und vergleiche, bis mir der Kopf brummt und es schon 11:30 ist.

Hoppla. Hunger habe ich auch, Frühstück habe ich vergessen. Egal, wenigstens noch schnell den Grauspecht in die Steckbriefschablone tippen. Meine Mitbewohnerin kommt aus ihrem Homeoffice von neben der Küche rein und schlägt vor den neuen Laden um die Ecke auszuprobieren. Ich wähle unter den Burgern “Waldschrat” und “Naturbursche” ersteren und denke: Jup, jetzt haben es die Hipsterläden auch in diesen Teil der Provinz geschafft. Schmeckt aber einigermaßen. Ich koche mir noch einen Kakao und beschließe die Beschreibung “Wächter des Waldes” statt “Polizei des Waldes” für den Eichelhäher zu nehmen. Wenn der Vogel einmal mit seinem durchdringend-schnarrenden “Rääähhhh” erklungen ist, wissen eigentlich alle Tiere des Waldes, dass irgendwas Störendes im Wald unterwegs ist und für Menschen wird es schwer noch ein paar Tierbeobachtungen zu machen. Netter Kerl.

Der Buchfink langweilt mich eher. Aber der Kleiber ist schon wieder recht spannend. So ein kleiner praller Klettermeister mit hochgradig geschickten Schnabelbaukünsten. Der macht sich seine Baumhöhlen einfach passend, indem er sie mit Lehm zuklebt. Daher auch sein Name - Kleiber ist eine alte Berufsbezeichnung für Lehmbauer*in.

So, give me five, ich bin fertig und blättere einfach noch eine Weile durch meine Vogelbücher und schaue, welche fliegenden Wesen ich am schönsten finde. Ich mag einfach Enten und Möwen, die lieben auch Wasser und das Meer. Und das Blaukehlchen, welches ich aus Skandinavien kenne, das ist einfach nur schön.

So, jetzt ist der Arbeitstag rum, war schön, auch wenn ich lieber draußen bin. Und weil es mir mit dem flimmernden Bildschirm vielleicht doch noch nicht reicht, guck ich mit meiner WG heute Abend noch Vogeldokus, haben wir uns heute Mittag für verabredet. Nur lieber erstmal nichts über Zugvögel. ;-)

Gesine Langlotz

Umweltpraktikantin 2020

Ort

Nationalpark Hainich