„Das Lebensnetz“:
Mit Kindern im Reich der Natur

Foto der Pflanzenkiste

Es ist 7 Uhr morgens, als mein Wecker klingelt und ich einen Blick aus meinem Fenster werfe. Noch etwas nebelig auf der großen Spielwiese der Sellnitz, der Umweltbildungsstätte im Nationalpark Sächsische Schweiz. Hier habe ich das Glück, ein dreimonatiges Praktikum im Rahmen meines Studiums (Ökologie und Umweltplanung) zu absolvieren und Umweltbildungsprogramme für Schulklassen zu betreuen.

 

Die Sellnitz ist in dieser Zeit mein Zuhause geworden – hier liegt auch unsere WG, die ich mir mit einem weiteren Praktikanten und zwei freien Mitarbeiter:innen teile. Halb verschlafen gehe ich nun Richtung Küche, um mir einen frisch gebrühten Kaffee und ein herzliches „Guten Morgen“ von David und Emma abzuholen. Wir besprechen noch kurz, wie der Tag ablaufen soll und verteilen erste Aufgaben. Heute kommt die 4. Klasse aus Dresden zu Besuch, mit der wir das altersgerechte Programm „Lebensnetz“ durchführen. Dafür müssen vorher drei Kisten im umliegenden Wald versteckt werden, die die Kinder thematisch in drei verschiedene Reiche der Natur einführen sollen – Boden, Pflanzen und Tiere.

Ich habe mich dafür gemeldet, die Kisten zu verstecken und David und Emma gehen den Weg hinunter zur Fähre, um die Kinder dort einzusammeln. Im Landschaftsschutzgebiet gibt es nämlich keine Brücken von der anderen Elbseite auf die Nationalparkseite und so muss man jedes Mal eine der kleinen Fährboote nehmen, die kunstvoll über den Fluss driften.

Gegen 8 Uhr schnappe ich mir die Kisten und verstecke sie an ihren vorbestimmten Orten im Wald. Auf den Kisten lege ich noch das jeweilige Siegel zurecht, das die Kinder dann später mit den Gruppenleiter:innen lösen sollen. So liegen z.B. auf der Pflanzenkiste verschiedene Früchte und Blätter von umliegenden Bäumen, die die Kinder den Arten zuordnen sollen.

Ich genieße noch einen kurzen Augenblick der Stille, bis die Kinder tobend auf die Wiese gerannt kommen. Nach einer kurzen Frühstückspause werden sie in drei Gruppen eingeteilt. Dazu werden kleine Kärtchen mit unterschiedlichen Beschreibungen von Tieren ausgeteilt und die Kinder müssen jeweils herausfinden, welches der drei Tiere sie sind. Ich leite heute die Amselgruppe und nach etwas Hilfestellung hat sich meine Gruppe zusammen gefunden. Gemeinsam starten wir mit einer kurzen Vorstellungsrunde und dem Erklären von Regeln zum Verhalten im Nationalpark. Dieses Jahr sind außerdem die Abstands- und Hygieneregeln neu dazugekommen, doch die meisten Kinder kennen sie bereits und können auch den Abstand zu mir meist sehr gut einhalten.

Mit Hilfe von Wegbeschreibungskarten sollen die Kinder nun den Weg zu der ersten Kiste finden. Diese ist in einem Buchenwald versteckt, zu dem wir eine kurze Strecke laufen oder wie Amseln hüpfen und fliegen müssen. Unterwegs ist genug Zeit zum Erklären von Naturphänomenen oder auch einfach nur zum Quatschen darüber, ob man Haustiere, Geschwister oder Hobbies hat – eben alles, was die Kinder so interessiert.

An der Kiste angekommen lösen wir das Siegel und starten mit ersten Spielen wie Baumtasten und Rindenabdrücke nehmen, die thematisch in das Reich der Pflanzen passen. An jeder Kiste haben die Teilgruppen ca. 30 Minuten Zeit für Aktivitäten, die immer unterschiedliche Fähigkeiten fordern. Dann geht es weiter zur nächsten Kiste. So rotieren alle drei Teilgruppen durch das Programm, ohne sich unterwegs zu treffen.

Als nächstes ist die Tierkiste dran, auf dem unterschiedliche Schädel und Knochen liegen. Viele Kinder gruseln sich zuerst, wollen dann aber doch alles anfassen und versuchen enthusiastisch, die Überreste den entsprechenden Tierarten zuzuordnen. Hier spielen wir das beliebte Anschleichspiel, das Räuber-Beute-Beziehungen und Störfaktoren in der Umwelt deutlich machen soll.

Die letzte Kiste ist die Bodenkiste. Für die Kinder ist es gar nicht so einfach, den Bezug zu den unterschiedlichen Bodenschichten, den Nadeln und Blättern und Insekten herzustellen. Umso mehr freuen sie sich jedoch, wenn sie alles verstanden haben und es daran geht, mit Becherlupen nach Bodentieren zu suchen, diese zu bestimmen und dann zu zeichnen.

An der letzten Kiste übt jede Gruppe für das große Abschiedsspiel – das Lebensnetz. Dabei erhält jedes Kind eine eigene Rolle aus der Tier-, Pflanzen- oder Bodenwelt und spannt metaphorisch mit einem Seil das Lebensnetz auf, indem jede Person überlegt, wie sie mit den anderen Rollen verbunden sein kann. Schnell wird den Kindern klar, dass sie Beziehungen zu allen Akteuren der Natur hat und das Lebensnetz nur aufrechterhalten werden kann, wenn alles im Einklang ist.

Zurück an der Sellnitz wird das Abschiedsspiel noch einmal in der großen Runde gespielt und ein weiterer Akteur kommt hinzu – der Mensch, hier als große Holzfigur dargestellt, der in die Mitte des Netzes gelegt wird und somit von der Natur getragen wird.

Nach dem Mittag bringen wir die Kinder dann zurück zur Fähre und verabschieden sie dort. Anschließend gehen wir zurück zur Sellnitz und beginnen mit der Reinigung und Desinfektion der Materialien und sanitären Einrichtungen. Dies ist zwar etwas lästig, aber dennoch ein wichtiger Bestandteil der Arbeit dieses Jahr. Durch die Pandemiesituation konnte ich auch mein Praktikum erst verspätet antreten und bin sehr dankbar, dass dieses Jahr trotzdem Umweltbildungsprogramme stattfinden können.

Den Tag lassen wir zusammen auf dem Lilienstein ausklingen, dem Wahrzeichen des Nationalparks. Von hier hat man eine super Aussicht auf das Elbsandsteingebirge und wir freuen uns auf einen weiteren Tag im Nationalpark Sächsische Schweiz.

Louisa Ramke

Umweltpraktikantin 2020

Ort

Nationalpark Sächsische Schweiz