Ein Tag auf dem Fahrrad im
Müritz-Nationalpark

Holzsteg und See

Die Distanzen schmecken hier anders. In Köln: einstündiger Graus zwischen Straßenschluchten und Spurengen; im Nationalpark: sanftes Wogen über Landstraßen, Blick auf Blühstreifen und Baummeer. Cordula und ich haben kurzerhand unsere Fahrräder in den roten Volvo gepackt, als wir feststellten, dass wir per Zweirad knappe drei Stunden bis zu unserem Ziel gebraucht hätten. Wir waren uns einig: ein Mü zu sportlich.

So fahren wir nun faul der Fahrradtour entgegen, von Serrahn nach Schwarzenhof. Cordula wird sich mit einer Führung auf Spurensuche begeben, ich werde auf eigene Faust die Gegend zwischen Schwarzenhof und Boek erkunden.

Hier liegt, steht und wächst viel Geschichte. Flora und Fauna sind schon seit den ersten menschlichen Siedlungen nicht mehr unberührt und trotzdem wirkt alles, was wächst und kreucht und fleucht wild und natürlich. Ich möchte herausfinden, welche Ereignisse der neueren Geschichte die Landschaft beeinflusst haben. Durch meine Recherche weiß ich bereits, dass bis zum 19. Jahrhundert spärliche Siedlungen, Ziegeleien, Glashütten und Mühlen die Wege säumten, bis die Umstände in Industrialisierung, die Produktivitätssteigerung der Landwirtschaft und die Machtverhältnisse während der Weltkriege für turbulente Änderungen sorgten. Dieses Wissen möchte ich bewahren und aufbereiten, um es für die Besucher:innen zur Verfügung zu stellen, genauer gesagt: für auf Fahrrädern umherflitzende Schülerinnen und Schüler. Mein Plan ist es, einen Erlebnislehrpfad zu gestalten, der die Schüler:innen zu Stationen führt und vor knifflige Rätsel stellt, ähnlich einer Schnitzeljagd. Die Stationen sollen interaktiv und vielfältig sein: vielleicht lässt sich an einer Stelle eine Hörstation implementieren, an der nächsten ein QR-Code verstecken und an einer weiteren eine seltene Pflanze finden?

Ich schwinge mich auf mein Rad und fahre die zuvor auf einer Karte markierten Orte ab. Ich staune: die Potentiale sind so vielfältig, weil alles was mich umgibt, schwer geschichtsträchtig ist. An manchen Orten schaue ich mich um und kann mich nicht entscheiden, ob hier eine Station zur jüngsten Tiermigration durch den Waschbären, zur anthropogenen Beeinflussung der Artenausstattung in Zeiten der DDR-Staatsjagd oder zur militärischen Landnutzung während des nationalsozialistischen Regimes am passendsten finde. Am Ende des Tages sind noch keine Stationen fertig konzipiert, aber ein Haufen an Ideen gesammelt und wahnsinnig viele Fotos geschossen worden. Der erste Schritt ist getan! 

Cordula und ich treffen uns am Auto, beide voller Eindrücke: sie war mit der Führung auf Spurensuche von kleinen und großen Tieren im Wald, ich auf der Suche nach menschlichen Spuren. Eins ist klar: alle hier Lebenden prägten sie die Landschaft in einer heute noch sichtbaren Form. Ich freue mich schon darauf, tiefer in die Thematik einzusteigen und die ersten Stationen zu konzeptionieren. Fürs Erste fahren wir heim nach Serrahn, die Fahrräder packen wir ins Auto und uns in den See. Es war ein schwitzig-schöner Tag, zu Fuß und auf dem Rad unterwegs im Müritz-Nationalpark.

Anna Mattes

Umweltpraktikantin 2020

Ort

Müritz-Nationalpark