Über Berg-Mähwiesen, Borstgrasrasen und durch das Rote Moor
Seit dem 17.August 2020 mache ich jetzt mein Praktikum im Biosphärenreservat Rhön beim Verein Natur und Lebensraum Rhön. Die Aufgaben sind sehr vielseitig und reichen von der Mitarbeit an Anträgen, über die Planung eines Bildungsurlaubes und der Teilnahme an Besprechungen und Beratungen bis hin zu Außeneinsätzen z.B. im Naturschutzgebiet (NSG) Rotes Moor.
Mein erster Tagebucheintrag handelt von der gemeinsamen Besichtigung von Maßnahmenflächen zur Weiterbildung von Forstreferendaren von HessenForst. Zu Beginn hielt Jonas Thielen, Sachgebietsleiter Naturschutz, einen Vortrag zum Biosphärenreservat allgemein und stellte besonders detailliert das LIFE-Projekt "Hessische Rhön – Berggrünland, Hutungen und ihre Vögel" vor.
In Biosphärenreservaten soll der Mensch im Einklang mit der Natur leben und wirtschaften. Das Biosphärenreservat Rhön ist deutschlandweit als „Land der offenen Fernen“ bekannt, da sich die Landschaft durch ein Mosaik von Offenlandschaft und Wald auszeichnet. Ohne die historische Bewirtschaftung des Grünlandes wäre das Gebiet flächendeckend von Buchenwald bedeckt. Durch die extensive Bewirtschaftung des Grünlandes entstanden Lebensräume, in denen sich seltene Arten angesiedelt haben. Die Rhön gilt als Rückzugsort für die Klimaverlierer unter den Arten. Jedoch gerät dieser Rückzugsort ebenfalls in Gefahr, denn auf der Wasserkuppe ist die Jahresdurchschnittstemperatur im Zeitraum von 1890 bis 2014 um 2,1 °C gestiegen.
Besonders im Fokus stehen im Biosphärenreservat Rhön die FFH-Lebensraumtypen Borstgrasrasen (LRT 6230*) und Berg-Mähwiese (6520). Der Borstgrasrasen hat nach den Alpen in der Hochrhön deutschlandweit sein größtes zusammenhängendes Vorkommen. Das LIFE-Projekt dient der Erhaltung, Herstellung und Wiederherstellung dieser Lebensraumtypen mit seinen Arten. Beide Lebensraumtypen sind auf eine extensive Bewirtschaftung, d.h. einschürige Mahd angewiesen, die in den Bereichen, wo z.B. Arten wie der Wachtelkönig vorkommen, vom Zeitpunkt her angepasst werden muss. Hauptproblem für die Lebensraumtypen sind die Intensivierung der Landwirtschaft (zu frühe Mahd, Düngung) sowie die Nutzungsform- und technik. Empfohlen wird die Anwendung des Doppelmessers. Weitere Probleme sind die Nutzungsaufgabe, wodurch die Offenlandlebensräume durch Wiederaufwuchs von Gehölz verschwindet.
Nach dem Vortrag ging es auf eine Exkursion ins Naturschutzgebiet (NSG) Rote Moor. Zu Beginn schauten wir uns eine Bergmähwiese an. Im oberen Bereich ist diese in keinen guten Erhaltungszustand (Erhaltungszustand C). Im unteren Bereich weist sie aber einen guten Erhaltungszustand auf. In der Ferne ist auf der linken Seite der Steinkopf zu sehen, der eine Fläche darstellt, auf der auch schon viele Maßnahmen innerhalb des LIFE-Projektes vorgenommen worden sind. In der Ferne auf der rechten Seite (Abb.1) ist die bayrische Grenze hinter dem Fichtenbestand zu sehen.
In Bayern gibt es noch eine Quellpopulation des Goldenen Scheckenfalters. Es wird angestrebt, dass der Goldene Scheckenfalter wieder auf der vorliegenden Fläche vorkommt. Jedoch ist eine Biotopvernetzung nach Bayern notwendig, um die Populationen in der hessischen Rhön erhalten zu können. Deshalb war eine Rodung eines angrenzenden Waldstücks als Korridor im Gespräch, um die Vernetzung zur Subpopulation auf der Wasserkuppe zu ermöglichen. Bis dorthin müssten viele kleine Trittsteine im Abstand von 300 m entstehen, um einen funktionierenden Biotopverbund herzustellen. Die Rodung des Waldstücks wurde jedoch von der oberen Forstbehörde abgelehnt.
An die Berg-Mähwiese angrenzend ist ein Bereich, in dem der Wachtelkönig, eine der Zielarten des LIFE-Projektes, brütet. Deshalb darf hier erst ab dem 15. September gemäht werden. Der Wachtelkönig kommt erst spät im Biosphärenreservat zur Brutsaison an und kann nur nachts aufgrund seiner Rufe kartiert werden.
Ein Problem bei der Extensivierung ist das Auftreten von Problemarten wie der Herbstzeitlosen (Colchicum autumnale), die sehr giftig für das Vieh ist und somit für die Landwirte bei der Heuherstellung ein großes Problem sind.
Auf einer weiteren Fläche schauten wir uns eine Fläche an (FFH-Gebiet, VSG, NSG), auf der Maßnahmen zur Herstellung eines Borstgrasrasens vorgenommen wurden. Es müssen neue Flächen geschaffen werden, da ein Vertragsverletzungsverfahren aufgrund von fehlender Fläche der FFH-Lebensraumtypen festgestellt worden ist. Hier fand eine Rodung von 0,3 ha Grau-Erlen statt. Da nach der Rodung direkt ein nährstoffarmer Boden zur Verfügung steht, ist dies eine gute Voraussetzung für die Ansiedlung eines Borstgrasrasens. Außerdem wurden Ohrenweiden entfernt und autochthones Saatgut eingesät. Mulchen kommt bei der weiteren Nutzung auf gar keinen Fall in Frage. Bereits jetzt kommen die Zielarten Bekassine und Braunkehlchen, Wiesenpieper. Auch der Goldene Scheckenfalter konnte sich ansiedeln. Der Karpatenwald muss ebenfalls erhalten bleiben. Die zunehmende Trockenheit stellt ein großes Problem dar, da z.B. die Bekassine, Braunkehlchen und auch der Goldene Scheckenfalter auf feuchte Bereiche angewiesen sind.
Danach fuhren wir zu einer weiteren Station, dem Haus am Roten Moor. Von dort aus starteten wir eine Moor-Führung auf dem Bohlen weg. Das Moor wurde bis 1979 großflächig abgetorft und somit fast vollständig zerstört, da sich Hochmoore über Tausende von Jahren bilden. Das Moor wächst pro Jahr ein Millimeter in die Höhe. Zur Wiedervernässung wurden Spundwände eingezogen und die Ohrenweiden werden entfernt.
Insgesamt war es ein sehr interessanter Tag und die Komplexität bei der Durchführung von Maßnahmen ist allen sehr deutlich geworden, da viele Nutzungskonflikte entstehen und Abwägungsentscheidungen auch in Bezug auf den Klimawandel getroffen werden müssen.
Mandana Hoffmann
Umweltpraktikantin 2020
Ort
Biosphärenreservat Rhön