Ein Tag im Juli auf der Hamburger Hallig

Noch bevor der Wecker klingelt, höre ich ein lautes, alle paar Sekunden wiederholendes „Meeh“ direkt vor meinem Schlafzimmerfenster. Es ist die helle Stimme eines Lamms. Ich blinzele. Es ist schon hell. Ich schaue auf den Wecker: 5:48 Uhr. „Määh“. Auf der anderen Seite des Hauses blökt nun eine dunklere Schafsstimme. Die Mutter. „Meeh“. „Määh“. Ich schäle mich langsam aus dem Bett, blicke aus dem Schlafzimmerfenster:
Ein Lamm, auf dessen Fell eine große 68 geschrieben ist, steht inmitten der Tische des gegenüberliegenden Restaurants, dem „Halligkrog“ und sucht seine Mutter. Ich gehe ans Wohnzimmerfenster, dort steht die dazugehörige Mutter Nummer 68 und blökt zurück. „Meeh“. „Määh“. So kann das Stunden gehen. Lamm 68 ist immer auf der Suche nach dem grüneren Gras, dafür quetscht es sich durch das kleinste Loch, kriecht durch Stacheldrahtzaun und springt über Gräben und landet über kurz oder lang immer in der für Schafe eigentlich verbotenen Warftmitte der Hamburger Hallig. Leider ist es nicht in der Lage zu verstehen, wie es dann nach seinem Ausflug wieder zurück zu seiner Mutter kommt, die auf der anderen Seite des Hauses, des Zauns oder des Grabens steht. Und dann wird eben geblökt.
Ich werfe mir eine Jacke über, schlüpfe in meine Sandalen, gehe raus und öffne das Holztor im Zaun am Warftaufgang. Nach drei Wochen meines Commerzbank-Umweltpraktikums auf der Hamburger Hallig kenne ich diese morgendliche Szene schon sehr genau und weiß, dass sie das stundenlang durchhalten. Mit geschickten, durch einige Fehlversuche schon dazugelernten Strategien schaffe ich es, Lamm 68 wieder auf die andere Seite des Zauns zu scheuchen, wo es mehr oder weniger brutal am Euter seiner Mutter zu säugen beginnt. „Jaja, bis in zwei Stunden, same time - same place, Lamm 68.“, denke ich mir, gehe wieder ins Haus und mache mir erstmal Frühstück.
Nach dem Frühstück beginnt mein Arbeitstag: ich mache die sogenannte Wattwerkstatt für den Tag bereit, die kleine Ausstellung zum Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer auf der Hamburger Hallig. Auf eine kleine Tafel trage ich dir Uhrzeiten der heutigen Tide ein: Niedrigwasser: 5.01 Uhr; Hochwasser: 17.19 Uhr. Ich schnappe mir Eimer und gehe zur Halligkante. Kein Wasser da. Ich steige trotzdem die Treppe hinein und stehe mitten im Schlick zwar schon auflaufendes Wasser, aber. Watt, soweit das Auge reicht. Ich gehe ca.150m bis zu einem kleinen Priel, in dem das Wasser schon wieder aufläuft, denn ich brauche noch frisches Salzwasser für mein Nordseeaquarium. Das Wasser muss bei den heißen Sommertemperaturen jeden Tag gewechselt werden, da wärmeres Wasser nicht genug Sauerstoff für all die Mies- und Herzmuscheln, Garnelen, Mini-Strandkrabben und dem das Seegras speichern kann. Zurück in der Wattwerkstatt fülle ich das frische Salzwasser ein. Jetzt ist das Wasser noch sehr trüb, in ein bis zwei Stunden haben die Muscheln das komplette 40L-Aquarium aber wieder klar gefiltert.
Einer der Nationalpark-Ranger kommt vorbei. Wir unterhalten uns, er fragt, ob es mir gut gehe, ob ich etwas brauche. Er fragt mich, welche Arten ich bei der gestrigen Springtidenzählen der Rast- und Brutvögel gezählt habe und ich zeige ihm Fotos von den Sturmmöwenküken, die ich gestern beobachten konnte. Ja, die säßen immer an dieser Stelle. Und dieser Austernfischer dort unten, der sei etwa acht Jahre alt. Durch ein Spektiv (eine Art Fernrohr) zeigt er mir, dass der Vogel sogar einen Ring am Bein trägt. Den habe er selbst beringt und er sitze jeden Sommer an der gleichen Stelle. Ich könne ihn ja melden, wenn ich es schaffe, die Zahlen abzulesen. Dieses Jahr hatte er leider keinen Bruterfolg, es war einfach zu heiß und trocken. Das Nachbarpaar hat dagegen zwei Küken, die schon eifrig, aber noch etwas ungelenk nach Würmern picken. Hoffentlich schaffen es die zwei.
Es wird langsam Mittag. Lamm 68 ist schon wieder auf Abwegen und die ersten Besucher kommen mit dem Rad auf die Hallig. In der Wattwerkstatt können sie sich über das Wattenmeer in Schleswig-Holstein und die Umgebung informieren. Ich beantworte dann ihre Fragen nach dem kleinen braunen Vogel mit den langen Beinen, den sie auf dem Hinweg gesehen haben. Oder diese große Muschel, gibt es die wirklich in der Nordsee? Was hat es mit dem Forschungsprojekt in der Salzwiese auf sich, über das die Beschilderung berichtet? Wo kann man denn mal eine Wattwanderung besuchen? Einzelne Besucher gehen auch nur vorbei, schauen vielleicht nach der Hochwasserzeit und gehen erstmal etwas essen. Andere wiederum kommen in geführten Gruppen, nehmen sich Flyer oder Postkarten mit oder wühlen in der Kiste mit Strandfunden in der Mitte des Raumes. Manche wollen ganz für sich sein, andere fordern sogar die ein oder andere Diskussion über Klimawandel, erneuerbare Energien oder Plastik im Meer heraus. Manchmal beantworte ich an einem Tag gefühlt hundert Mal die gleiche Frage, am nächsten Tag dann wieder nur zweimal und plötzlich sind ganz andere Themen wichtig. Und manchmal weiß ich die Antwort auf eine Frage auch nicht. Aber das ist in Ordnung, denn auch ich lerne in diesem Praktikum noch und recherchiere dann einfach oder frage meine zuständigen Ranger.
Als gegen 17 Uhr Hochwasser ist, kommen kaum noch Besucher in die Wattwerkstatt. Alle nutzen das gute Wetter und gehen baden. Ich schließe die Ausstellung und springe selbst nochmal in die Nordsee. Jeden Tag, zwei Monate lang, bei jedem Wetter. Denn wann werde ich wieder diese einzigartige Möglichkeit haben, als einzige Einwohnerin auf einer kleinen Hallig?
Abends mache ich noch einen Spaziergang, fotografiere, um dann festzustellen, dass diesen Blick, diese Weite, dieses Gefühl eh keine Kamera der Welt aufnehmen kann. Ich nehme mir ganz fest vor, auch nach meinem Praktikum nochmal herzukommen, um einen richtigen Sturm und ein Landunter zu erleben. Ich sehe die Sonne ins Meer eintauchen und denke, dass ich diese Zeit nie vergessen werde.
Elisabeth Heimbach
Umweltpraktikantin 2018
Ort
Hamburger Hallig im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer

Umweltbildung besteht hier im Bayerischen Wald nicht nur aus Führungen, Kindergeburtstagen und Vorträgen, sondern auch aus Festen und anderen Veranstaltungen.
Als Praktikant im Bereich Sonderveranstaltungen bin ich dementsprechend für die Organisation jener mitzuständig, die nicht regelmäßig stattfinden. Diese können aus den verschiedensten Richtungen stammen: ein ökumenischer Gottesdienst im Waldspielgelände, ein Stand zum Thema „Boden und Bodenlebewesen“ bei den Aktionswochenenden des Baumwipfelpfades, ein Fest zur Feier der Eröffnung des neuen Schutzhauses am Falkenstein oder erste Planungen für Veranstaltungen zum 50-jährigen Jubiläum des Nationalparks 2020.
Organisiert wird dies alles von meinem Arbeitsplatz in der Nationalparkverwaltung in Grafenau aus. Zusammen mit einem anderen Praktikanten und zwei FÖJler*innen teile ich mir ein Büro. Die Zusammenarbeit klappt super und jeder hilft jedem aus, wenn eine Veranstaltung oder eine Führung ansteht und noch etwas vorbereitet werden muss.
Doch neben der Arbeit im Büro bin ich auch oft draußen unterwegs, entweder bei Kindergeburtstagen oder Führungen im Waldspielgelände oder bei anderen Veranstaltungen.
So kann ein typischer Arbeitsalltag durchaus so aussehen, dass ich des morgens ins Büro komme, dort kurz etwas erledige, um dann meinen Betreuer Lukas Laux bei einer Führung zu unterstützen. So kommt es schon vor, dass man zusammen mit einer 35-köpfigen Gruppe aus dem polnischen und weißrussischen Teil des Białowieża – Nationalparks mitten in der entstehenden Waldwildnis nahe des Rachels unterwegs ist, um ihnen zu zeigen, was „Chaos und Verhau“ in einem Wald bedeutet und wie dies Besucher*innen nahe gebracht wird. Danach geht es wieder ins Büro, um nachmittags mit meiner FÖJ-Kollegin ins Waldspielgelände in Spiegelau aufzubrechen. Diesen verbringen wir mit Bewohner*innen des dortigen Caritas-Wohnheimes mit verschiedenen Aktivitäten und erleben den Wald mit allen Sinnen beim Barfußpfad, dem Baumpavillon und der Duftorgel.
So lässt sich eines sicher über das Praktikum im Bayerischen Wald sagen:„faad wiads ned“.
Stefan Heigl
Umweltpraktikant 2019
Ort
Nationalpark im Bayerischen Wald